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Messingwerk

Zu sehen ist eines der kleinen Gewächshäusschen der Ausstellung im Messingwerk zu 100 Jahren jüdischer Migrationsgeschichte in Brandenburg. Das Haus, gebaut aus durchsichtigen Paneelen, steht in einer dunklen Ecke einer großen Industriehalle. Die Tür ist geöffnet. Im Haus läuft eine Videoprojektion. Außen am Haus ist ein Poster zu sehen.

Im Jahr 1917 wird als Teil der Hirsch, Kupfer- und Messingwerke in Messingwerk (Eberswalde, Brandenburg) die vermutlich erste Hachschara im Deutschen Reich gegründet. Zur gleichen Zeit wird die jüdische Gemeinschaft in Palästina durch die herannahenden Kämpfe des I. Weltkriegs bedroht und die britische Regierung sagt in der Balfour-Deklaration der zionistischen Bewegung Unterstützung bei der »Errichtung einer nationalen Heimstätte des jüdischen Volkes in Palästina« zu. Die Hoffnung auf eine baldige Realisierung dieses Ziels wächst – zumal Großbritannien vom Völkerbund das Mandat zur Verwaltung von Palästina erhält. Um dorthin einwandern zu können, wird jedoch eines der limitierten Einwanderungszertifikate benötigt, für das handwerkliche, hauswirtschaftliche oder landwirtschaftliche Fähigkeiten nachgewiesen werden müssen. Die Hachscharot vermitteln den oft aus akademischen Familien kommenden Männern und Frauen diese Fähigkeiten. Sie nennen sich selbst Chaluzim, Pioniere, oder auch Chawerim, Freunde.

Einige Bewohner:innen der frühen Hachscharot fliehen vor den vielen Pogromen aus osteuropäischen Ländern, wo sie den zionistischen Ideen zum ersten Mal begegnet sind. Andere stammen aus Deutschland, haben aber den Glauben an das Lebenskonzept ihrer Eltern – Emanzipation und Assimilation – verloren. Sie teilen eine kapitalismuskritische Haltung, die Kritik an der Ausbeutung der Natur und die Sehnsucht nach einem freien Leben in der Gemeinschaft Gleichgesinnter. Erez Israel wird für sie zum Inbegriff ihres Traums von „Arbeit ohne Ausbeuter und Ausgebeutete“ und von einem neuen, selbstbewussten jüdischen Leben.

Die ersten Jüdinnen:Juden, die sich 1922/23 von Messingwerk aus auf den Weg ins damalige Palästina machen, kamen ursprünglich aus der Ukraine. Ungefähr 100 Jahre nach der Entstehung der ersten Hachscharot blicken wir auf ein Jahrhundert jüdischer Flucht, Migration und Remigration zurück. Seit 1948 bietet der jüdische Staat Israel Jüdinnen:Juden eine sichere Existenz. Das Leben in der Diaspora bleibt von Migration geprägt. Nach 1945 kehren jüdische Remigrant:innen in die SBZ bzw. die DDR zurück, jedoch verlassen viele von ihnen in den 1950er Jahren die DDR wieder, angesichts des zunehmenden antisemitischen Verfolgungsdrucks . Die meisten der heute in Deutschland lebenden Jüdinnen:Juden stammen wiederum überwiegend aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, viele von ihnen aus der Ukraine. Ihre Geschichte zeigt – ebenso wie die Geschichte der Hachschara-Bewegung oder der Remigrant:innen in der DDR –, dass Migration kein passiver Prozess ist, sondern in verschiedener Weise ein Akt der Selbstbehauptung sein kann.

In Messingwerk untersucht das Institut in einem künstlerischen Forschungsprojekt die Zusammenhänge und Echos dieser Geschichten und der in ihnen gespiegelten jüdischen Widerständigkeit. Im September 2022 eröffnete das Institut einen Ausstellungs- und Lernort in Halle 1 der ehemaligen Industriehallen der Hirsch, Kupfer- und Messingwerke. Etwa zwei Gehminuten von der Ausstellung entfernt betreibt es außerdem ein Gartenprojekt, das von den Ideen der Hachschara inspiriert ist..

Aktuell wird das Projekt nicht mehr gefördert. Wir können die Ausstellung deshalb nicht regelmäßig öffnen. Bei Interesse an einem Besuch können Sie sich gerne an uns wenden.

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